Donnerstag, 13. Januar 2011

Kapitel 3... von Micha und Manuel

Frau Zoller wurde immer zurückhaltender, als Jenny sie schliesslich auf die Ereignisse kurz vor dem 'Unfall' ansprach. "Wo ist eigentlich ihr Mann? Ich dachte er würde auch kommen?" "Er ist geschäftlich in Amerika unterwegs. Er flog schon vor über drei Monaten nach New York", sagte Frau Zoller mit bedrückter Stimme. "Er weiss noch nichts von der ..." Ihre Stimme erstarb, sie presste die Lippen aufeinander. Jenny verkrampfte sich. Sie wusste, was jetzt kommen würde. Sie hasste es, wenn Menschen weinten. Sie war deshalb überrascht, als Frau Zoller trotz brüchiger Stimme weitersprach:" Richard hing sehr an unserer Tochter. Das beruhte auf Gegenseitigkeit. Es brach ihm fast das Herz, als er wegmusste. Es war das erste Mal im Leben von Ronnie, dass ihr Vater so lange verreiste. Sie hat fast ihre ganze Kindheit mit ihm verbracht. Deshalb hab ich es Richard auch noch nicht gesagt. Er würde das nicht verkraften..."
"Ich verstehe.", flüsterte Jenny. "Ich danke ihnen für die Informationen, Frau Zoller. Eine Frage hätte ich trotzdem noch: Was hat die Polizei genau herausgefunden?" "Ich weiss es nicht genau. Man hat einige Sachen gefunden, auf dem Dach der Mensa, aber auch am Boden unterhalb der Stelle an der... Natürlich haben sie auch Leute befragt." Ihre Stimme zitterte. "Die Polizei hat sie als Indizien in die Akte abgelegt, aber sie kamen relativ schnell auf Selbstmord. Sie sagten, alle Beweise deuteten auf einen Suizid. Davon hört man doch sonst nur im Fernsehen!", rief sie verzweifelt. "Meine Tochter beging nicht Selbstmord, nicht meine Tochter..." Jetzt flossen trotz allem Tränen aus den Augenwinkel von Frau Zoller. Jenny drückte ihre Hand, zahlte und verliess nachdenklich das Café.


Kurz darauf sass sie hinter ihrem Schreibtisch und versuchte nachzudenken. Dazu hatte sie sich eine etwas eigenartige aber effektive Methode ausgedacht. Sie rutschte in eine bequeme Position in ihrem Lehnstuhl und legte die Schuhe auf das Pult. Sie setzte sich ihre verspiegelte Sonnenbrille auf, worauf alles in ihrem Büro dunkler wurde. Danach suchte sie sich einen Anhaltspunkt, irgendeinen Gegenstand der sie an den Fall erinnerte.Es gab viele solche Gegenstände in dem Zimmer. Eine Schachfigur(einen Springer), das Bild einer Landschaft, einen Kugelschreiber oder eine Vase mit einem leicht vertrockneten Blumenstrauss drin. Letzteres hatte sie einmal dazu verwendet um den Fall eines verschwundenen Gärtners zu lösen. Dabei spielte es keine Rolle, was für Blumen in der Vase standen, die Vase selbst war das Objekt. Sie zeigte ein verschlungenes Muster aus dünnen Ästen. Doch auch die Vase konnte ihr nicht beim Nachdenken helfen. Sie brauchte etwas, das mit einer Familie zu tun hatte. Ihr Blick fiel auf den Rahmen eines Fotos, das in der Ecke ihres Schreibtisches stand. Sie schaute es lange an und versank ganz in den Anblick ihrer Eltern. Das Foto war das einzige, was sie von ihnen besass. Sie hielten sich eng umschlungen und lächelten in die Kamera. Im Hintergrund sah man die verdreckte Rückwand eines Fotoautomaten. Sie prägte sich das Bild genau ein, den Anblick ihrer Eltern, der schlichte Holzrahmen, selbst die schmutzige Wand. Dann schloss sie die Augen und liess das Bild in ihrem Kopf entstehen. Schliesslich sah sie vor ihrem geistigen Auge das perfekte Ebenbild des Rahmens, ihre Eltern und die verdreckte Wand. In diesen Anblick versunken begann sie ihre Überlegungen anzustellen.


Einige Zeit später nickte sie kurz ein und schlug sich die Stirn an der Tischkante. Nachdenken konnte sehr anstrengend sein. Während sie sich die Stirn rieb, fasste sie noch mal das Wichtigste zusammen. Sie glaubte nicht an den Selbstmord von Ronnie. Allerdings konnte sie gut einen Monat nach dem offiziellen Abschluss der Ermittlungen nicht viel machen. Deshalb musste sie an die Akte der Polizei rankommen. Die Tür ging leise auf und eine, vom Regen plitschnasse Frau kam rein. "Du kommst gerade wie gerufen Caroline", begrüsste Jenny ihre Freundin überschwänglich, als diese das Büro betrat. "Hör mal, dein Ex arbeitet doch bei der örtlichen Polizei...kannst du ihn für mich um den Finger wickeln und eine äusserst wichtige Akte besorgen?" Jenny wusste, wenn sie ihren altbewährten Hundeblick aufsetzte, konnte ihr Caroline keinen Gefallen abschlagen. "Ich wollte eigentlich bei diesem Schweinewetter mit dir ins Kino, aber von mir aus kann ich es gern versuchen."

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